
Im Mittelalter war Merseburg Station auf dem Handelsweg von Frankfurt am Main in Richtung Leipzig, Görlitz sowie Breslau und hatte mit seinen Saaleübergängen für die Zwischenlagerung und Neuverteilung von Warenströmen große Bedeutung. Einer dieser Übergänge befindet sich noch heute in einem Wald nördlich der Leipziger Straße in der Nähe des ehemaligen Forsthauses mit der Gaststätte Fasanerie. Der sächsische Kurfürst August I., Administrator des Hochstifts Merseburg, ließ die Handelswege ausbauen. In diesem Zusammenhang erfolgte 1577 die Errichtung einer steinernen „Hohen Brücke“ anstelle der in der Vergangenheit mehrfach eingestürzten hölzernen Querung über die alte Saale. Die hohe Wölbung der Brücke war notwendig, um sie auch bei Hochwasser passierbar zu halten. Die unerschütterliche Standfestigkeit des Bauwerks bei allen folgenden Hochwassern gab der Sage Nahrung, dass ein lebendiges Kind eingemauert worden sei, was im Volksmund zur Bezeichnung „Kinderbrücke“ führte. Ihre Lage weit außerhalb der Stadt verschonte sie über die Jahrhunderte aber auch vor militärisch-taktischen Zerstörungen, so dass angenommen werden kann, dass die Hohe Brücke die älteste in ursprünglicher Form erhaltene steinerne Saalebrücke überhaupt ist.
Abb: Ansicht Tafel und Wappenstein, 2024 (Foto: Günter Hannuschka)
Erst in den 1930ger Jahren verlor die „Hohe Brücke“ ihre Bedeutung als Verkehrsbauwerk, als mit dem Baubeginn des Saale-Elster-Kanals eine zweckmäßigere Chausseeführung im Bereich des Auwaldes Fasanerie verwirklicht wurde. Die zur Stadtseite gelegene Rampe wurde abgetragen. Das Material wurde im neuen Straßenverlauf verbaut. Die Zufahrt auf der anderen Seite blieb dagegen erhalten, da sie gleichzeitig Anbindung an das daneben liegende Forsthaus war. Die nun funktionslose Brücke ließ man als Baudenkmal stehen. Zunächst war sie zwar noch Kulisse für das beliebte Ausflugslokal Forsthaus Fasanerie. Als dort jedoch in den Nachkriegsjahren die Bewirtschaftung eingestellt wurde, verlor sie ihre Bedeutung als öffentliches Ziel. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Bauwerk durch Steindiebstahl, Umwelteinflüsse, Wildwuchs und Müllablagerungen beschädigt und verwahrloste zusehends.
Nach mehreren Vorstößen entschied sich 2011 der Merseburger Altstadtverein (MAV) dem Verfall der Brücke Einhalt zu gebieten. Durch kostenintensive von Firmen ausgeführte und durch viele freiwillig erbrachte Leistungen wurde folgendes bewerkstelligt: Entsorgung von Müll, Beseitigung von Wildwuchs, umfangreiche Erdbewegungen, Wegebau zur Unterquerung der Brücke und für einen zweiten Zugang von der B181 (Rundweg), teilweise Ausbaggerung des alten Flussbetts, Abbruch und Wiederaufbau eines Eisabweisers, Mauerwerks- und Pflastersanierungen, Sicherung der historischen Wappentafel von 1577, Abdeckung der Brückenwangen.
Nach Abschluss fast aller Baumaßnahmen veranstaltete der Merseburger Altstadtverein 2017 ein viel beachtetes Brückenfest. Danach fiel die Hohe Brücke wieder mehr oder weniger in den „Dornröschenschlaf“. Im Gehölz versteckt, ist sie weder von der einhundert Meter vorbeiführenden stark befahrenen B181, noch vom zweihundert Meter entfernten viel besuchten großen Gewerbezentrum zu sehen. Die beiden Hinweisschilder können lediglich vorüberkommende Radtouristen und Fußgänger auf dem Ökumenischen Pilgerweg auf das Bauwerk aufmerksam machen. Bemühungen des MAV, Brücke und Wege mit einem jährlichen Arbeitseinsatz von erneutem Wildwuchs per Handarbeit freizuhalten, stellten sich als wenig zielführend heraus. Viele der 2017 gestalteten Flächen sind bereits wieder von der Natur überwuchert. Hoffnung macht eine Aktion der Stadtverwaltung mit Einsatz von Technik im Rahmen des 3. Merseburger Sauber-Machathon, einer Initiative zur Sauberhaltung der Stadt Merseburg.
Die Brücke steht als Baudenkmal im Denkmalverzeichnis des Landes Sachsen-Anhalt, sie ist Eigentum der Stadt Merseburg und im Brückenbuch eingetragen.
Abb: Draufsicht der Südseite, 2024 (Foto: Günter Hannuschka)

Nachweise
Weiterführende Informationen finden Sie in:
- Jürgen Jankofsky (2015): Merseburg – 1200 Jahre in einer Chronik aus Daten, Namen und Fakten. Mitteldeutscher Verlag.
- Saal, Walter (1986): Sagen des Kreises Merseburg. Museum Merseburg.