Kategorien
Textbeitrag

Das Spinndüsenwerk Eilfeld in Gröbzig

Ein Beitrag von Günter Matter.

Erst die Erfindung der Metallspinndüse durch Friedrich Eilfeld aus Gröbzig im Jahre 1908 machte die wirtschaftliche Produktion von künstlichen Seidenfäden und Kunstfasern für die schnell wachsende Textilindustrie möglich.

Als in der Filmfabrik Wolfen die Kunstseide-Fabrik mit der Spinnerei die Produktion im Jahr 1922 aufnahm, war der größte Teil der benötigten Anlagen zuvor in Eigenfertigung hergestellt worden. Doch kleine, aber wesentliche Bauteile, die sogenannten Spinndüsen, konnten nicht selbst gefertigt werden. Sie waren ein technisches Wunderwerk und mussten bei der Firma Spinndüsenwerk Eilfeld im nahen Gröbzig gekauft werden.

Die Spinndüsen, deren Löcher im hundertstel Millimeter-Bereich liegen, waren auf einem Brausekopf angeordnet, aus dem beim Fertigungsprozess feine, aus Viskoselösung bestehende Fäden in Fixierbäder gleiten.

Die Herstellung der Spinndüsen geht auf eine Erfindung des Gröbziger Uhrmachers Christian Friedrich Eilfeld (1868-1942) aus dem Jahr 1909 zurück. Mit dieser Erfindung stieß Eilfeld das Tor für die weltweite Produktion von Chemiefasern auf.

Eilfeld erlernte in Köthen den Beruf des Uhrmachers. Nach der Lehre folgten, wie damals üblich, Wanderjahre mit Stationen in Plauen, Berlin und Wien. Ab 1888 musste er zum Militär. In der dienstfreien Zeit beschäftigte sich Eilfeld mit Uhrmacherarbeiten und mechanischen Experimenten. So setzte er seine Kameraden in Erstaunen, als er eine kleine Münze mit einer so präzisen, längsseitigen Bohrung präsentierte, dass durch diese nur ein einziges Haar gefädelt werden konnte.

Abb.: Aus den Spinndüsen gleiten Tausende von Einzelfäden als Faserstränge in das Fixierbad (Foto: Archiv Industrie- und Filmmuseum Wolfen)

Nach Erhalt der Gewerbeerlaubnis für die Ausübung des Uhrmacherhandwerks im Jahr 1892 eröffnete Friedrich Eilfeld in seiner Heimatstadt Gröbzig eine Uhrmacherwerkstadt. Neben seinen geschäftlichen Verpflichtungen widmete er sich nach wie vor seinem Steckenpferd, der Herstellung von Kleinstbohrungen.

Im Jahr 1892 heiratete er Mathilde Hentschel, Tochter des Uhrmachers Julius Hentschel aus Plauen. Mit seiner Familie siedelte Eilfeld 1908 Plauen ins Vogtland über.

Unweit von Plauen stand zu diesem Zeitpunkt Wilhelm Reents als Direktor der Kunstseidenfabrik Elsterberg vor dem Problem, dass eine besondere Schwachstelle in der sehr jungen Kunstseidenherstellung die äußerst hohe Bruchanfälligkeit der für den Spinnprozess notwendigen Glasdüsen darstellte. Reents kannte Eilfeld von der gemeinsamen Militärzeit und hatte dessen Leistungen auf mechanischem Gebiet nicht vergessen. Reents bat Eilfeld zu versuchen, Feinstbohrungen in Metallscheiben einzubringen, was diesem noch im Jahr 1908 gelang: Das Ergebnis waren die weltweit ersten Metallspinndüsen für die Produktion von künstlichen Seidenfäden.

1910 kehrte Eilfeld in seine Heimatstadt Gröbzig zurück und widmete sich fortan der Fertigung von Spinndüsen. Die von ihm entwickelte und noch heute angewandte Technologie beruhte nicht auf der spanabhebenden Herstellung von Kleinstbohrungen. Eilfelds Prinzip lag in der Materialverdrängung, noch heute ein High-Tech-Verfahren. Dabei wird eine spitze Nadel in die Düsenplatte gedrückt und die auf der Rückseite der Platte entstehende Warze abgeschabt. Eilfeld konnte so 10.000 Löcher in einen runden, im Durchmesser 10 cm messenden Metall-Topf einbringen.

Die Kunde seiner Spinndüsen verbreitete sich schnell, sodass eine Vielzahl von Aufträgen nicht nur aus dem Inland, sondern bald auch aus anderen Ländern Europas und darüber hinaus in Gröbzig eingingen.

Die Welt erhielt mit der Metallspinndüse ein Instrument, mit dem es möglich wurde, in großen Mengen Kunstfasern (Kunstseide, Viskosefasern) zunächst für die schnell wachsende Textilindustrie und später auch für viele weitere technische Anwendungsgebiete herzustellen.

Das alte Geschäftshaus in Gröbzig war für die schnell wachsende Spinndüsenproduktion rasch zu klein. Eilfeld erwarb deshalb ein Grundstück in der Halleschen Straße und schuf dort nach und nach die Gebäude, in denen bis zu 170 Mitarbeiter an der Fertigung beteiligt waren. Dabei fertigte Eilfeld alle für die technisch anspruchsvolle Herstellung der Düsen notwendigen Werkzeuge und Produktionsmittel im eigenen Unternehmen.

Aus Altersgründen übernahm 1939 sein Sohn Fritz den Betrieb. Friedrich Eilfeld verstarb drei Jahre später. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Unternehmen enteignet. Fritz Eilfeld wurde durch amerikanische Besatzungstruppen interniert und kam nicht wieder nach Gröbzig zurück.

Der Bedarf an Spinndüsen nahm nach 1945 nicht ab, ganz im Gegenteil: In dem in den 1950er Jahren neu gebildeten Volkseigenen Betrieb „Spinndüsenfabrik Gröbzig“ arbeiteten in Spitzenzeiten bis zu 450 Mitarbeiter. Der Betrieb belieferte die Länder des sogenannten Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, dem sozialistischen, von der Sowjetunion angeführten Pendant zur im Rahmen des Marshallplans entstandenen Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit, aber auch westliche Länder mit Spinndüsen. Nach der politischen Wende erlebte der traditionsreiche Betrieb mehrmals Eigentümerwechsel. Nach über hundert Jahren endete die Produktion des Spinndüsenwerkes am traditionsreichen Standort in Gröbzig und wurde Anfang 2015 nach Halle/Saale verlagert.1

Abb.: Tantal-Spinndüse aus Gröbzig Ø 35 mm mit 6.300 Löchern von 50 µm Durchmesser (Foto: Günter Matter)


Nachweise

  1. Kappes, Otto (2009): 100 Jahre Metalldüse. Eine Erinnerung an den Erfinder Friedrich Eilfeld. Gröbziger Heimatblatt, 10/2009, S. 5 ff. ↩︎

Literaturverzeichnis