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Das Hofgestüt Bleesern

Als die Hofanlage am nordöstlichen Ortsende von Seegrehna 1996 als ein Bauwerk des sächsischen Architekten Wolf Caspar von Klengel entdeckt wurde, war längst in Vergessenheit geraten, dass diese einst als kurfürstliches Hofgestüt erbaut worden war.

Zum Vergessen hat ganz sicher die wechselvolle Geschichte des Ortes beigetragen. Einst zu Kursachsen gehörig, wurden Wittenberg und seine Umgebung nach dem Wiener Kongress 1815 preußisches Gebiet. Nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte die Region zum Bezirk Halle und seit der Wende dann zu Sachsen-Anhalt. Sicherlich ist diesen Umständen geschuldet, dass der Bezug zur sächsischen Geschichte an diesem Ort verloren ging.

Heute wissen wir, dass das Hofgestüt Bleesern, 1676-1686 als prachtvolles frühbarockes Bauwerk des bedeutenden sächsischen Architekten Wolf Caspar von Klengel errichtet, die älteste geschlossene Gestütsanlage in Europa ist. Bei der Planung wurden damals moderne Erkenntnisse zur Pferdehaltung berücksichtigt und in den Gestütsgebäuden umgesetzt. Hierher kamen sächsische Kurfürsten, einschließlich August dem Starken, um mit und in der damals prächtigen Anlage Ihren Wohlstand und Einfluss zu präsentieren. 

Die Pferdezucht an diesem Ort und auch seine historische Bedeutung reichen aber viel weiter in die Vergangenheit zurück. Aus dem 15. Jahrhundert gibt es Belege für Pferdezucht in einer früheren Gestütsanlage.

Abb: Historischer Dachstuhl im Ostflügel (Foto: Förderverein Bleesern e.V.)

Im Jahr 1547 lagerte das katholische Heer von Kaiser Karl V. nach der gewonnenen Schlacht bei Mühlberg auf der südlichen Elbseite gegenüber von Wittenberg in der Nähe des Gestüts. Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige, der im Schmalkaldischen Krieg auf Seiten der Protestanten kämpfte und in Wittenberg residierte, war seit der Schlacht bei Mühlberg als Gefangener im Tross des Kaisers und verlor seine Kurfürstenwürde. Auf der zu den Gestütsweiden gehörenden „Moritzwiese“ trug Kaiser Karl V. dem sächsischen Herzog Moritz, der das siegreiche katholische Heer unterstützt hatte, die Kurfürstenwürde an. Seitdem wird Sachsen von Dresden aus regiert.

Sehr lange wurde die Anlage nicht als Hofgestüt genutzt. Bereits 1722 wurde die Pferdezucht des sächsischen Hofes auf Geheiß August des Starken nach Graditz verlegt. Die Anlage von Bleesern diente als Modell für diesen und auch für weitere Gestütsbauten.

Für weitere 20 Jahre wurde die Anlage als kurfürstliches Maultiergestüt genutzt. Anschließend wurde die Anlage weiter landwirtschaftlich genutzt. Auch Pferdezucht ist belegt.

Als Folge der Napoleonischen Kriege wurde Europa durch den Wiener Kongress 1815 neu geordnet. Wittenberg gehörte nun zu Preußen und das ehemalige Hofgestüt wurde nach 1816 als Preußische Domäne verpachtet und diente weiterhin landwirtschaftlichen Zwecken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Flüchtlinge in den Gebäuden untergebracht. Im Rahmen der Bodenreform wurden Bauten und Flächen an Neubauern vergeben. Auf Befehl der Sowjetischen Militäradministration wurde der südwestliche Teil zur Gewinnung von Baumaterial abgebrochen. Seit 1946 wurde der Hof durch die Vereinigung für gegenseitige Bauernhilfe (VdgB) als Maschinenhof genutzt. Dieser wurde 1950 durch die Maschinenausleihstation (MAS) Gohrau übernommen. Später gehörte die Anlage zu einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG).

Nach 1990 kam Bleesern in Treuhandbesitz und wurde bis zum Jahr 2000 privatisiert. Ein Teileigentümer, der die Gebäude nicht wie geplant nutzen durfte, erwirkte eine Abrissgenehmigung für den Ost- und Südflügel und begann mit der Zerstörung des Daches, obwohl die gesamte Anlage seit 1992 unter Denkmalschutz steht.

Abb: Frühschoppenkonzert im Hofgestüt Bleesern (Foto: Bernd Blumrich)

2010 hat sich der Förderverein Hofgestüt Bleesern e.V. gegründet, der Ost- und Südflügel der Anlage erwerben konnte. Ziel des Fördervereins ist es, die noch vorhandenen Gebäude zu retten und so zu restaurieren, dass eine Nutzung für kulturelle und touristische Zwecke möglich wird. Bei der Restaurierung soll so viel wie möglich von der originalen Bausubstanz erhalten bleiben und mindestens die Hofseite so wiederhergestellt werden, dass die einstige von Wolf Caspar von Klengel entworfene barocke Fassade wieder erlebbar wird. Soweit unter den derzeitigen baulichen Bedingungen möglich, werden bereits kulturelle Veranstaltungen wie Konzerte, Treffen von Reitern, Ausstellungen, Vorträge, Kinovorführungen und Bücherfeste angeboten. Inzwischen hat sich das Hofgestüt Bleesern zu einem beliebten Treffpunkt von Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen entwickelt. Mit den baulichen Fortschritten werden die Nutzungsmöglichkeiten wachsen.

Siehe auch www.hofgestuet-bleesern.de. Empfohlen wird der Dokumentarfilm von Thomas Claus: „Das Hofgestüt Bleesern – Monumentaler Barock für die Pferde des sächsischen Kurfürsten„.

Besucher sind zum Tag des Offenen Denkmals, zu Veranstaltungen und im Sommer an den Sonntagnachmittagen im Hofcafé willkommen. Dann werden auch Führungen angeboten.